Computer-Hardware möglichst lange zu nutzen ist nachhaltig. Die Fertigung neuer Komponenten und Geräte kostet Ressourcen und Energie, daher ist es meist nachhaltiger und umweltfreundlicher, alte Geräte möglichst lange zu nutzen. Doch wo sind die Grenzen, was ist mit einem alten PC oder Notebook noch möglich und welches System installiert man darauf?
Es gibt eine Menge Artikel, die sich damit beschäftigen, alte PCs mit Linux Installationen wieder flott zu machen. Nachdem Linux auf quasi allem läuft, was Nullen und Einsen verarbeiten kann und es diverse Linux Distributionen speziell für diesen Zweck gibt, liegt der Gedanke nahe. Aber solange man nicht ein altes Gerät nur für einen ganz speziellen Zweck nutzen möchte, sondern einfach als Sofa-Computer für ein wenig Internet und ein paar Programme, möchte man meist auch etwas mehr Bequemlichkeit. Und wenn der Browser zwei Tabs mit großen Webseiten anzeigen soll, braucht er dafür eine gewisse Menge Arbeitsspeicher und CPU Leistung. Damit landet man dann oft wieder bei den großen Distributionen wie Ubuntu, Mint, OpenSUSE, Debian oder anderen.
Oder ist vielleicht doch Windows eine Alternative? Oft klebt unter alten Geräten schon ein Windows 7 Key, mit dem man weiterhin problemlos und kostenlos ein Windows 10 aktivieren kann. Aber Windows ist als Ressourcenfresser verschrien und läuft doch nicht mehr wirklich gut auf alten Kisten, oder?
Nun, finden wir es mal hinaus.
Die Grenzen der Nutzbarkeit
Nicht jede alte Hardware eignet sich heute noch zu einer allgemeinen Nutzung. Es gibt gewisse Grenzen, unter denen halt wirklich nur noch spezielle Nutzungszwecke mit ebenso spezieller Software möglich sind. Als sinnvolle Minimalausstattung würde ich ein Gerät mit etwa folgenden Daten ansehen:
- Dual-Core CPU, Intel Core 2 oder AMD Athlon mit AM3 Sockel
- 4 GB RAM
- Eine SSD mit 64 GB Speicherplatz
Klingt nach nicht viel. Notebooks mit dieser Ausstattung sind um 2006/2007 herum verkauft worden. Desktops mit Dual-Core Pentium 4 stammen teilweise aus 2004 / 2005. Wir sind also schon bei Hardware, die locker 13 bis 15 Jahre alt ist. Das dürfte schon unter “nachhaltig” fallen.
Damals wurden die alle natürlich meist mit lahmen Festplatten verkauft. Eine Investition von ein paar Euro in eine SSD ist meiner Meinung nach ein Muss.
So es die CPU unterstützt, sollte man generell ein 64-bit System installieren. Die großen Linux Distributionen lassen einem da teils schon gar keine Wahl mehr und bieten ihre aktuellen Versionen gar nicht mehr als 32-bit Version an. Windows gibt es auch in der Zukunft noch als 32-bit Version, aber wenn mehr als 3 GB RAM verbaut sind, möchte man diese ja auch nutzen können.
Bei verbauten 4 GB RAM sind mit einem 32-bit Windows meist nur um die 3 GB nutzbar. Das System braucht in der 64-bit Version zwar selber minimal mehr RAM, allerdings bleibt dank der vollen Nutzbarkeit der verbauten 4 GB immer noch mehr nutzbarer Speicher übrig, wenn man die 64-bit Version verwendet.
Einfach mal testen
Zum Vergleich, wie sich die “alten Kisten” denn schlagen, insbesondere unter verschiedenen Betriebssystemen, habe ich drei nahezu baugleiche Notebooks angeworfen.
- Lenovo X61 Tablet
- 12” Display mit Stift-Bedienung und 1024×768 Pixeln Auflösung
- Intel Core 2 Duo L7500 mit 2x 1,6 GHz
- Intel Onboard-Grafik
- 4 GB RAM
- SSD
Die Geräte stammen aus dem Jahr 2007 und die ursprüngliche verbaute Festplatte wurde jeweils gegen eine SSD ausgetauscht.
Folgende Aufgabenstellungen gab es:
- Problemlose Installation mit Unterstützung möglichst aller Hardwarekomponenten.
- Nutzung von Webseiten mit Firefox, Chrome oder Edge.
- Youtube Videos ruckelfrei anschauen.
- Zugriff auf meine Mails, Kontakte und Kalender.
- Zugriff auf die Messenger Telegram und Skype.
- Lokale Videos ruckelfrei anschauen.
- Bilder, Musik und Dokumente vom Netzlaufwerk kopieren und diese dann nutzen.
All das ist kein Hexenwerk, aber natürlich komme ich aus der Windows Welt und jemand mit anderen Nutzungsszenarien wird die Aufgaben möglicherweise anders verteilen.
Und die getesteten Systeme:
- Windows 10 Pro Version 2004, 64-bit
- Ubuntu Linux 20.04 LTS, 64-bit
- elementary OS 5.1.6, 64-bit
Die Wahl auf elementary OS fiel recht spontan. An sich wollte ich noch eine Linux Distribution nehmen, die nicht aus der Ubuntu-Schiene stammt. Allerdings war ich durch Zufall über elementary OS gestolpert und dachte, dass gerade dessen Schlichtheit vielleicht im Test ganz spannend sein könnte.
Installation und Hardwareunterstützung
Ich habe mir ja ein wenig Hardware ausgesucht, die etwas speziell ist. Das X61 Tablet hat ein klappbares Display mit Wacom Technologie, auf dem man mit einem Stift schreiben kann. Es ist allerdings kein Touch-Display. Eine Reihe Zusatztasten erlaubt zusätzliche Funktionen wie die manuelle Drehung des Displayinhaltes. Gleich vorab: keines der drei Systeme hat hier vollständig überzeugt. Die zusätzlichen Tasten blieben überall ohne Funktion.
An sich verläuft die Installation aller Systeme relativ problemlos. Die Installation von elementary OS findet aber keinen Datenträger, auf dem es installieren könnte. Erst nachdem vorher Partitionen mit einem anderen System angelegt wurden, konnte der Installer beim nächsten Versuch die Platte finden und die Partitionierung löschen und selber neu partitionieren. Der gleiche Effekt ließ sich mit einem testweise dazu genommenen openSUSE Leap 15.2 nachvollziehen.
Nach der Installation funktionieren nahezu alle Grundfunktionen einwandfrei. Grafiktreiber sind installiert, Sound läuft, WLAN und Netzwerk, Bluetooth, wunderbar. Unter Windows muss der Treiber für den Fingerabdruckleser manuell aus dem Windows Update Catalog nachinstalliert werden. Ubuntu erkennt den Fingerabdruckleser so, läuft bei der Einrichtung aber ständig in Timeouts. elementary OS bietet keine Konfigurationsmöglichkeiten dafür in der grafischen Oberfläche. Am Ende läuft die Anmeldung per Finger nur mit Windows sauber.
Dafür zickt unter Windows der Treiber für Intels alte 4965ABG WLAN Karte etwas. Nach einigem Hin und Her wird sie durchs Nachfolgemodell Intel 5100AGN getauscht. Bei Lenovo ist dazu die Installation eines gepatchten BIOS notwendig.
Am schnellsten startet übrigens elementary OS, mit etwas Abstand dann Ubuntu und zuletzt Windows. Der Vergleich ist allerdings etwas unfair, denn bei Windows sind automatisch im Hintergrund Skype, Telegram und der Abruf von Mails schon aktiv.
Windows benötigt mehr Platz auf der Disk, gerade im Vergleich zum schlanken elementary OS. Wer heute eine SSD kauft, wird aber eh kaum mehr Modelle unter 120 GB finden. Damit relativiert sich das schnell.
Den Stift erkennen Windows und Ubuntu auch als Stift, elementary OS offenbar nur als Maus. Unter Windows gibt es dann von Haus aus auch Funktionen wie eine automatische Erkennung von Schreibschrift. Das hat Apple fürs iPad ja gerade als revolutionäre Neuerung präsentiert. Windows kann das seit Jahren – auf 12 Jahre alter Hardware. Eine automatische Drehung des Displays bekommt Windows hin. Klappt man das Display um, schaltet Windows die Orientierung auf Hochformat. Die beiden Linux Versionen interessieren sich nicht für die Display-Drehung.
Ab ins Internet
Alle drei Systeme kommen mit ihren Browsern ins Internet. Auf Windows wurde auf den aktuellsten Edge aktualisiert, bei elementary OS auf einen aktuellen Firefox und Ubuntu bringt diesen gleich mit. Es gibt keine Probleme, Bildfehler oder ernste Verzögerungen. Scrollen im Browser fühlt sich unter Windows minimal besser an.
Die beiden Linux Systeme kommen dabei irgendwie nie wirklich zur Ruhe. Sobald die entsprechenden Hintergrundprozesse der Messenger laufen und ein Browser offen ist, ist ständig CPU Last im zweistelligen Bereich da.
Im Leerlauf nutzen Ubuntu und besonders elementary OS ein bisschen weniger RAM, allerdings ist die Sache schnell ziemlich ausgeglichen, wenn der Browser mit zwei Tabs sowie die Messenger aktiv sind. 4 GB RAM reichen aus, sind meist zu 60 bis 70% gefüllt. Egal welches der drei Systeme genutzt wird.
Youtube auf, Video an! Überraschend problemlos spielen alle drei Maschinen ein Konzertvideo ab. Auffällig werden nur die Unterschiede bei der Auslastung. Während die beiden Linux Versionen die CPU auf Volldampf takten und zu 60 bis 90% auslasten, läuft das selbe Video in der gleichen Auflösung unter Windows bei nur 25% CPU Last. Und die CPU taktet dabei sogar noch auf 0,86 GHz runter!
Offensichtlich verwendet Windows selbst auf der uralten Intel Grafik noch hardwarebeschleunigtes Video-Decoding mit der GPU, während die Linux-Systeme alles auf der CPU laufen lassen. Die Info-Seiten der Webbrowser untermauern die Vermutung.
Die Benchmarks JetStream2 und Speedometer 2.0 untermauern die Beobachtung, dass das Windows System schneller ist. Während Speedometer 2.0 unter Windows 21,60 Durchläufe misst, sind es unter Ubuntu nur 18,60. Und JetStream2 landet unter Windows bei 26.119 Punkten, unter elementary OS hingegen nur bei 22.730.
Mails, Kontakte, Kalender und Messenger
Meine Mails, Kontakte und Kalenderdaten liegen auf einem Exchange Server. Das ist natürlich ein etwas unfairer Vorteil für Windows. Allerdings liegt das mit daran, dass sich bisher neben IMAP für E-Mails kein wirklicher Standard für Kalender und Kontakte überall durchgesetzt hat. CalDAV und CardDAV sind aus der Nische nicht raus, Kontakte via IMAP eine noch kleinere Nische.
Die einzig für den Laien brauchbare Lösung unter Linux heißt aktuell weiterhin Evolution. Damit ist der Zugriff problemlos möglich. Design und Bedienung sind teils etwas mit Ecken und Kanten, aber es funktioniert. Bei Windows liefern die mitgelieferten Apps alle Funktionalitäten und sind etwas leichtgewichtiger.
Skype und Telegram lassen sich unter beiden Linux Versionen nachinstallieren. Bei Ubuntu kommt beides über den eingebauten Store, bei elementary OS verwendet man für Skype das .deb Paket und installiert es an der Kommandozeile. Ob beide im Hintergrund aktiv bleiben, kann man leider nur bei Windows und Ubuntu sehen. Bei elementary OS verschwinden sie unsichtbar, sobald man das Hauptfenster schließt.
Lokale Dateien und Zugriff auf Netzwerkshares
Auch das ist natürlich für alle drei Systeme kein Problem. Bei Ubuntu richtet man Favoriten für die einmal gemounteten Netzwerkshares an und hat sie mit einem Klick wieder verbunden. elementary OS bietet so etwas nicht. Anscheinend muss man die Shares jedes Mal wieder komplett neu verbinden, was etwas nervig ist.
Beim Kopieren hat sich der Dateimanager von elementary OS mehrfach aufgehängt. Im Hintergrund wurde zwar weiter kopiert, aber der Fortschrittsbalken samt sonstiger Oberfläche des Dateimanagers blieben bis zum Abwürgen desselben eingefroren. Insbesondere parallele Kopien scheint er nicht wirklich zu mögen.
Das Handling von Bildern, Musik und Videos ist überall einwandfrei. Alle drei Systeme bringen von Haus aus Anwendungen mit, mit denen man problemlos alle diese Dateien nutzen kann. Die reduzierte Oberfläche von elementary OS gefällt dabei sehr, wenn man sich an die Bedienung ohne Menüs gewöhnt hat. Für Nutzer von macOS dürfte die Umgewöhnung einfacher sein.
Auch hier zeigt sich wieder, dass Videos eher die Domäne von Windows sind: ein lokales Video in h.264 mit FullHD Auflösung und 30 fps wurde unter Windows völlig ruckelfrei abgespielt. Die Linux Systeme hatten da beide kein ganz flüssiges Bild. Bei einem Video mit 60 fps versagen dann aber alle. Da ist die Hardware einfach am Ende.
Fazit
Man kann auch vergleichsweise alte Hardware noch recht problemlos für viele Zwecke weiter nutzen. Es kann dabei ein Linux das Mittel der Wahl sein. Windows ist aber keineswegs abgehängt. Bei den Testaufgaben war es im Internet und bei Videos sogar merkbar schneller.
Mit etwas manueller Nacharbeit bekommt man unter den Linux-Versionen vermutlich auch Fingerabdruck und Zusatztasten dazu, den Betrieb aufzunehmen. Aber das ist dann nichts mehr für den Laien. Ohne diese Basteleien unterstützt Windows allgemein die getestete Hardware vollständiger.
Was bleibt, ist die persönliche Präferenz. Wer an sich viel mit Windows zu tun hat, sollte es auch einfach damit probieren. Die Erfahrungen sind manchmal positiver, als man es erwartet.
Hallo,
ich würde gerne wie folgt Ihren Artikel ergänzen:
eine Übersicht nach Distribution und deren Einsatzzweck findet man hier: https://distrowatch.com/
Und zum Thema 64Bit/32Bit: Ich selbst habe ein altes Medion Laptop aus dem Jahr 2007 welches „nur“ 32Bit kann mit einem aktuellem Debian Buster und nur 2,5GB RAM produktiv im Einsatz. Hier kommt im Übrigen Gnome 3 zum Einsatz also kein leichtgewichtiger Fenstermangaer. Es lässt sich trotz HDD wunderbar flüssig damit im Alltag arbeiten. Hat man dann tatsächlich „besondere Hardware“ oder noch mehr Freiheiten empfiehlts sich hier Gentoo.
Grüße
Danke für die Ergänzungen. Wobei allerdings Gentoo auf langsamer Hardware eher auch keinen Spaß machen dürfte. Zumindest nicht das Kompilieren von Updates. Ich wollte auch eher darauf hinaus, dass das Betriebssystem alleine laufen zu lassen meist nicht ausreicht. Die Anwendungen sind es ja meist, die dann entsprechend Leistung fressen – und dazu gehört heutzutage ja leider schon der Browser. Spätestens mit ein oder zwei größeren geöffneten Webseiten.
Hallo,
persönlich zum Thema Browser kann ich sagen das hier noscript und co. das Antwortverhalten erheblich verbessern jedoch auch die Nutzbarkeit einer Seite beeinträchtigen können. Ein Beispiel: Google + noscript es werden z.B.: keine Suchvorschläge beim eintippen angezeigt. Um bei meinem Laptop von 2007 zu bleiben hier läuft libreoffice, playonlinux mit wine 5.2 staged Warcraft3 samt Addon, als Browser Chromium. DVD Film schauen oder auch DVD brennen kein Problem auch youtube nicht. GIMP nutze ich nicht und kann daher kein Urteil dazu geben aber auch da gäbe es leichtere Alternativen. Das ist für mich also völlig ausreichend. Interessant wäre hier sicherlich da Virtualisierung nur bedingt mit QEMU möglich sein dürfte Docker und co. zu testen wobei dies für mich schon nicht mehr unter „Alltagsgebrauch“ fällt.
Wegen Gentoo da stimme ich Ihnen zu. Jedoch habe ich hier z.B.: wesentlich mehr Möglichkeiten das auf meine Hardware anzupassen als bei einer auf fertig kompilierten Paketen basierenden Distribution.
Grüße
Es gibt auf ebay bergeweise alte Lenovo und DELL Leasing Rückläufer. Small Form Faktor i5/8gb/500gb HDD/dvd für 50 € bis 100 € incl. Win7-Lizenzklebi. Muss man etwas gucken und auf den richtigen Moment warten. Die sind völlig ausreichend als Desktop-Arbeitsplatz oder dezidierte Surfstation. Wenn man sowas mag, Schnapper!
Das ist dann ja auch schon richtig moderne Hardware im Vergleich. 😉
Noch eine kleine Ergänzung: ich habe noch einen Amilo-Notebook von 2004 – es läuft mit Debian 8 (dabei musste ein Trick wegen des Memories angewendet werden) – der Prozessor ist single-CPU Celeron und Memory sind 2 GB. Die Leistungsaufnahme liegt bei etwa 40 Watt. Ich verwende dieses Notebook meist in meinem Wohnmobil, dort habe ich manchmal nur eine begrenzte elektrische Leistung zur Verfügung.
Ich sehe die Argumente des Hauptartikel durchaus als schwerwiegend an. Aber wie gesagt: mir reicht der kleine Rechner, zumal ich hier im Home-office andere Kapazitäten habe und auch eine Virtualbox unter Debian …