Im Juli hatte ich im Blog ja einen Kurztest des Huawei P20 Lite und damals schon angekündigt, dass ein Test des P20 Pro folgen würde. Nun denn, es hat ein wenig länger gedauert als gedacht, aber man will so ein Gerät ja auch etwas ausführlicher in Augenschein nehmen. Die Gelegenheit hatte ich – seit Juli ist das P20 Pro mein sowohl beruflich als auch privat ausschließlich genutztes Smartphone.
Schauen wir auf die trockenen Details. Huawei verbaut einen 6,1” FullHD+ OLED Bildschirm, den Kirin 970 8-Kern-SoC aus eigener Fertigung, 6 GB Ram, 128 GB Flash und eine Kamera mit drei Objektiven mit Leica Logo. Installiert ist Android 8.1 mit Huaweis EMUI Oberfläche. Die kompletten Spezifikationen finden sich natürlich auch wieder auf der Huawei Webseite.
Nimmt man das Gerät zuerst in die Hand, fällt neben der Farbgebung zuerst mal das Gewicht auf. Mit 180 Gramm liegt das P20 Pro vergleichsweise schwer in der Hand. Ein Galaxy S9 ist merkbar leichter, ein iPhone X hat zumindest noch ein paar Gramm weniger. Bei der Wahl der Farbe darf man zwischen schwarz, blau und “twilight” aussuchen. Letzteres ist eine Farbgebung, die je nach Blickrichtung changiert und mal blau, türkis oder pink aussieht.
Das P20 Pro kommt mit schnellladefähigem Netzteil, USB-C Kabel, Klinke-auf-USB-C Adapter, USB-C Headset und bereits aufgeklebter Displayschutzfolie. Leider ist diese hier minimal zu weit oben aufgeklebt, so dass sich oben etwas Staub sammelt. Zudem ist eine durchsichtige Schutzhülle im Lieferumfang. Ohne Schutzhülle sieht man natürlich gerade auf der glänzenden Rückseite jeden Fingerabdruck. Mit Schutzhülle kommen die Farbenspiele der “twilight” Variante nicht ganz so toll zur Geltung. Aber ich will das Gerät ja nutzen und nicht anschauen, also kommt die Schutzhülle weiter zum Einsatz.
Auch hier hat das Display oben eine “Notch”, d.h. eine Einkerbung, die die Front-Kamera, einen Lautsprecher und die Benachrichtigungs-LED unterbringt. Ein Face-Unlock ist damit möglich, allerdings nicht empfehlenswert. Die Kamera dürfte sich relativ einfach überlisten lassen.
Huawei hat leider die 3,5mm Klinkenbuchse weggelassen, wie es mittlerweile bei vielen Smartphones der Fall ist. Ob man den USB-C Adapter jederzeit dabei hat, ist eher fraglich. Ihn zu Hause am guten Kopfhörer dranzulassen, dürfte die sinnvollste Verwendungsform sein. Das mitgelieferte Headset ist klanglich okay, aber vom Tragekomfort eher mäßig. Das Design sieht nach einem Klon der Apple EarPods aus. Das nackte Plastik steckt eher nicht so gut im Ohr.
Ein Nachteil zeigt sich nach wenigen Wochen der Benutzung von Netzteil, Headset und Kabeln: man macht den Unsinn von Apple nach und färbt alles weiß ein. Das sieht toll aus, wenn es aus der Packung kommt. Liegt das Netzteil samt Kabel mal für eine Dienstreise im Notebook-Rucksack, sieht das Weiß schon ziemlich dreckig aus.
Der USB-C Anschluss mit USB 3.1 Gen. 1 am Gerät kann auch dazu verwendet werden, das P20 Pro an einem großen Bildschirm zu betreiben. Man sieht dann einen richtigen Desktop und kann seine Android Apps im Fenster mit Maus und Tastatur bedienen. Das funktioniert sogar am Microsoft Dock, welches damals zur Lumia 950 Serie verkauft wurde. Allerdings scheitert man leider auf halber Strecke, denn Tastatur und Maus müssen über Bluetooth gekoppelt werden. Eine USB-Tastatur und –Maus am Dock werden nicht erkannt. Schade.
Trotz Glas-Rückseite kann das P20 Pro leider nicht drahtlos aufgeladen werden. Der für mich so einzig größere Kritikpunkt. Anders als das Lite ist es allerdings wasserdicht nach IP67 Schutzklasse.
Es gibt vom P20 Pro Varianten mit Single- und Dual-SIM. Ich hab allerdings bisher noch kein Single-SIM Modell zu Gesicht bekommen. Eine MicroSD Karte statt der zweiten SIM zu verbauen ist nicht möglich, eine Erweiterung der 128 GB Speicher somit nicht möglich. Beim Dual-SIM Modell sind beide SIMs voll LTE-fähig, anders als beim vorher getesteten P20 Lite. Es werden alle gebräuchlichen Frequenzbänder unterstützt.
Anders als beim P20 Lite sitzt der Fingerabdruckleser hier auf der Vorderseite – für mich persönlich die sinnvollere Anordnung. Die verbauten Lautsprecher sind okay, um mal ein Video von Youtube zu schauen. Ein Stereo-Effekt ist zwar vorhanden, aber da sollte man dann doch eher auf Kopfhörer setzen.
Das Android 8.1 System bekam seit dem Start des Tests mehrfach Updates. Zumindest die Sicherheitspatches von Google fanden relativ schnell ihren Weg aufs Gerät. Zum Zeitpunkt des Berichtes hier ist das System auf dem Stand August 2018. Für Android 9 gibt es zumindest einen Betatest und auch Android 10 ist für die Zukunft versprochen. Hoffen wir, dass Huawei das Versprechen hält.
Zur EMUI Oberfläche hatte ich beim P20 Lite Test schon etwas geschrieben. Sie ist gut nutzbar, einen alternativen Launcher habe ich bisher nicht installiert.
Die sonstigen Leistungsdaten sind mehr als ausreichend und somit ist die Bedienung auch jederzeit fix. Der “Schwuppdizitätsfaktor” ist hoch. Nur ganz selten tauchte es auf, dass die Twitter App überraschend langsam startete. Möglicherweise auch ein Problem der App selber.
Einige Zickereien bei Bluetooth Verbindungen sind im Laufe der Zeit verschwunden. Ob durch die eingespielten Updates oder den dafür notwendigen Neustart, lässt sich nachträglich nicht klären. Aber mittlerweile laufen Bluetooth Verbindungen stabil zu allen Geräten.
Kommen wir zum Highlight: dem Kamerasystem. Huawei hat ja schon bei verschiedenen Tests mit der Kamera gepunktet. Beim DxOMark Test steht das P20 Pro seit dem Release mit 109 Punkten einsam an der Spitze. Das richtige Gerät also, um die DSLR zu Hause zu lassen und loszuziehen.
Eine Selfie-Kamera mit 24 Megapixeln und f2,0 Blende vorne sowieso hinten drei Linsen mit 40 Megapixeln (f1,8), 20 Megapixeln (s/w, f1,6) und 8 Megapixeln (Zoom, f2,4) klingen schon nach etwas. Eine optische Bildstabilisierung gibts auch noch. Der Autofokus ist schnell und stellt fast immer schon auf das passende Objekt scharf.
Ein dreifacher Zoom ist somit optisch möglich, die fünffache Zoomstufe wird dann davon ausgehend interpoliert. Bilder werden standardmäßig mit 10 Megapixeln in 4:3 Format gespeichert. Alternativ ist es möglich, direkt mit 40 Megapixeln zu speichern (ebenfalls 4:3). Hier fallen allerdings zusätzliche Kamera-Funktionen weg, da diese die zusätzlichen Pixel der Sensoren nutzen würden. RAW Format ist selbstverständlich auch möglich. Ich habe mich mit den 10 Megapixeln und JPEG im Normalbetrieb arrangiert.
Zum Beginn des Tests hatte Huawei in der Kamera-App standardmäßig die AI-Funktionen aktiv. Die Kamera erkennt dann automatisch das Motiv und stellt sich darauf ein. Bei den unteren Testbildern wurde rechts als Szenerie “Pflanzen” erkannt, links das gleiche Motiv ohne AI.
Da sieht man dann auch schon gleich, dass man die AI ein wenig vorsichtig benutzen sollte. Die Bilder werden mit und ohne AI klasse, sind mit AI aber ggfs. ein wenig sehr optimiert auf knallige Farben. Hat die Kamera als Szenerie “Blauer Himmel” oder “Pflanzen” erkannt, wirkt Haut auf den Bildern schon fast orange.
Mittlerweile ist nach einem der Updates die AI Funktion standardmäßig aus und man kann sie auf Wunsch aktivieren. Die folgenden Testbilder sind allesamt mit aktiver AI Funktion geschossen worden.
Im Nachtmodus legt das P20 Pro dann noch mal nach. Das linke Foto ist abends aufgenommen worden, die Umgebung war bis auf die Laternen völlig dunkel. In dem Fall hat das Foto 50 Sekunden gedauert.
Das rechte Foto mit dem Mond im Gegenlicht war nach fünf Sekunden im Kasten.
Auch eine Bokeh-Funktion für künstliche Unschärfe im Hintergrund von Portrait-Fotos ist natürlich dabei und funktionierte gut.
Und auch hier zum Abschluss ein Blick auf den Akku. Der hat 4000 mAh und ist damit auch mit für das vergleichsweise hohe Gewicht verantwortlich. Allerdings will ja auch einiges an Funktionen mit Strom versorgt werden. An manchen Stellen ist Huawei sehr strikt in Sachen Stromsparen und dreht manchen Apps ein wenig zu sehr die Hintergrunddienste ab. Wer also von manchen Apps Benachrichtigungen vermisst, sollte hier in den App-Einstellungen diese von diesen Stromsparfunktionen ausnehmen.
Mit zwei aktiven SIM Karten, privaten und beruflichen Apps, d.h. mehreren Mail-Konten, Messengern und normaler Nutzung komme ich mit dem Gerät locker über zwei Tage mit einer Akkuladung. Mit viel Nutzung von Display und Kamera habe ich es schon mal geschafft, den Akku in weniger als 24 Stunden zu leeren. Spiele nutze ich nicht und habe ich daher auch nicht getestet. Wer sein Handy eh jede Nacht lädt, wird mit dem P20 Pro sicherlich keine Probleme bekommen.
Fazit: das P20 Pro ist momentan die beste Smartphone-Kamera und ein ziemlich feines Android-Smartphone noch dazu. Wer schon auf der Android Schiene unterwegs ist, kann bedenkenlos zugreifen und bekommt verdammt viel Leistung fürs Geld.
iOS Nutzer werden vermutlich nicht ihr Ökosystem für einen Wechsel aufgeben. Sie müssen sich allerdings fragen, ob ihnen das in sich besser optimierte iOS wirklich Apples saftige Preise wert ist.
Das Huwei P20 kostet aktuell (September 2018) je nach Farbe zwischen 660 und 690 EUR, wobei schwarz am günstigsten, “twilight” am teuersten ist. Beim iPhone Xs in der kleinen 64 GB Ausführung startet man hingegen bei 1149 EUR.
Huawei P20 Pro in “twilight”
Huawei P20 Pro in schwarz
Huawei P20 Pro in blau