Ersatz fürs Lumia? Das Huawei P20 Lite im Kurztest

Nachdem Microsoft sich aus dem Bereich der Smartphones zurückgezogen hat, und die aktuellsten Geräte mit Windows 10 Mobile bald drei Jahre alt sind, wird es wohl Zeit, sich ernsthafter mit Alternativen zu beschäftigen.

Dass die Wahl zwischen den verbleibenden Alternativen – Android und iOS – für mich ein wenig wie die Wahl zwischen Pest und Cholera ist, hatte ich an verschiedenen Stellen schon erwähnt. Aber das hilft ja nichts.
Bei iOS bindet man sich mit Haut und Haaren an einen einzelnen Hersteller, der für deftige Preisgestaltung aber auch vergleichsweise langen Support bekannt ist. Android liegt je nach Wunsch in ganz anderen Preisbereichen, der Support der Hersteller ist aber teilweise weiterhin katastrophal. Was bleibt?

Google hat seit einiger Zeit das Android Enterprise Recommended Programm gestartet. Die teilnehmenden Geräte der verschiedenen Hersteller müssen bestimmten Kriterien entsprechen – sowohl bei Ausstattung als auch beim Support mit Sicherheitsupdates. Die Details finden sich auf der genannten Webseite. Wichtigster Punkt ist die Verpflichtung der Hersteller zu mindestens drei Jahren Update-Support und zwar mindestens alle 90 Tage. Garantiert. Apple bietet zwar in der Praxis momentan mehr, allerdings garantiert man das nirgendwo.

Und was für Unternehmen ein wichtiger Punkt ist, hilft auch dem Privatmann. Neben Googles eigenen Geräten finden sich seit einiger Zeit in der Liste der Geräte auch verschiedene Modelle von Nokia, Sony, Moto und Huawei. Insbesondere deren Preisgestaltung sorgt dafür, sich so ein Gerät mal genauer anzuschauen.

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Das Huawei P20 Lite ist die kleinste Variante der P20 Serie, welche noch das normale P20 sowie das P20 Pro umfasst. Es ist in der Preisklasse um 280 EUR Straßenpreis zu haben und gilt damit wohl als “untere Mittelklasse”. Die Ausstattung liegt allerdings auf einem Niveau, welches es vor wenigen Jahren nur in der Oberklasse gab.
Ein Achtkern-SoC aus eigenem Hause, 5,84” FullHD+ Display mit “Notch”, Dual-Kamera hinten, 4 GB Ram, 64 GB Flash, Fingerprint. Das ist schon eine Hausnummer und viel Ausstattung fürs Geld. Die kompletten technischen Details lassen sich auf der Seite von Huawei nachlesen. In manchmal etwas lustigem Deutsch, wie die Farbvariante “Klein Blue” zeigt.

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Das P20 Lite gibt es als Single- als auch als Dual-SIM Version, wobei die zweite SIM anstatt einer Micro-SD-Karte verbaut werden kann. Entweder mehr Speicher oder mehr Konnektivität ist also angesagt. Zum Test habe ich hier die Variante in “Midnight Black”, welche ziemlich unauffällig daherkommt, aber dadurch auch recht edel wirkt. Die Kanten des Rahmens sind an den oberen Ecken fühlbar, aber alles passt und das Gerät liegt gut in der Hand. Fast zu gut, denn durch die gläserne Rückseite rutscht das Handy schnell weg, wenn es nicht auf absolut ebenen Oberflächen liegt. Zudem steht die Kamera leicht hervor, d.h. eine Schutzhülle ist meiner Meinung nach auf jeden Fall notwendig. Die hilft dann hoffentlich auch gegen Fingerabdrücke, die man auf dem glänzend schwarzen Glas sofort sieht. Wasserdicht oder –abweisend ist das Huawei leider nicht.

Das IPS Display hat etwas mehr als FullHD Auflösung. Dass es kein OLED ist merkt man an nicht ganz so knackigen Farben. Die Helligkeit und Farben an sich sind aber okay. Nur bei richtig starkem Sonnenlicht wirds schwierig, das Display abzulesen. Die Seitenränder sind schmal, die “Notch” oben sorgt auch dort für ein schmales Aussehen. In der Ausbeulung verbergen sich die Frontkamera, ein Lautsprecher sowie die Lade-LED. Leider scheint diese nicht als Benachrichtigungs-LED nutzbar zu sein.

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Der Fingerabdrucksensor ist auf der Rückseite und reagiert wirklich zügig. Am unteren Rand finden sich Kopfhörerbuchse, ein moderner USB-C Port (allerdings nur USB 2.0) und ein Lautsprecher. a/b/g/n/ac WLAN in beiden Frequenzbändern, NFC und Bluetooth 4.2 runden die Sache ab. Das P20 Lite unterstützt dabei aptX und aptX HD für möglichst hochqualitative Audio-Übertragung über BT. Bluetooth 5.0 gibt’s noch nicht, also auch keine Möglichkeit, z.B. zwei Bluetooth Headsets auf einmal zu koppeln.

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Das war die Hardware, da ist ja alles dran. Kommen wir zum System. Aktuell wird Android 8.0 mit Sicherheitspatch vom 1. Juni verwendet. Android 8.1 ist nicht verfügbar, aber immerhin die Sicherheitsupdates sind auf dem aktuellen Stand. Huawei verwendet seine eigene “EMUI” Oberfläche. Als iPhone Nutzer sollte man schnell damit zurecht kommen. Wer Windows gewöhnt ist, stellt vielleicht in den Einstellungen lieber auf “Drawer” Ansicht um und hat dann ein zentrales Menü mit alphabetischer Liste aller Apps plus die Desktops mit den gewünschten Symbolen und Widgets.

Das System ist nicht überfrachtet mit Bloatware, aber ganz ohne geht es leider auch nicht. Netflix, Booking.com, irgendwie muss Huawei wohl den Gerätepreis subventionieren. Zum Glück spart man sich Unsinn wie einen eigenen Browser, sondern installiert einfach Chrome vor. Wer unter Windows Edge nutzt, kann diesen natürlich auch aus dem PlayStore nachinstallieren, um dann genauso Favoriten zu synchronisieren.

Die Oberfläche reagiert zügig. Dass man kein High-End-Gerät in den Händen hält merkt man eher selten. Manche App dauert einen Moment länger zum Start, was einem allerdings auch nur dann auffällt, wenn man ein deutlich schnelleres Gerät daneben hält.

Die Dual-SIM-Funktion ist durchgängig verfügbar, lässt sich allerdings bei Verwendung von “Android for Work” nicht zwischen privatem und beruflichem Profil fest zuordnen. Ich kann also nicht eine der SIM Karten fest dem beruflichen Profil zuordnen und dann zusammen mit diesem aktivieren und deaktivieren. Das P20 Lite kann übrigens nur auf der SIM1 LTE nutzen. Auf SIM2 ist ausschließlich Edge verfügbar – sie dient also eigentlich nur zum Telefonieren.

Viel wird heute mit dem Handy “geknipst” und auch bei mir hat das Smartphone dafür gesorgt, dass die dicke Spiegelreflex fast immer im Schrank bleibt. Die Kamera im P20 Lite kommt mit zwei Sensoren, einem 16 Megapixel Sensor plus einem 2 Megapixel Sensor, welcher sich nur um die Bildtiefe kümmert. Die Kamera steht etwas aus dem Gehäuse heraus.
Die Kamera-App bietet viele Optionen und lässt auch das Speichern von RAW Bildern zu. Bei guten Lichtverhältnissen sind die Bilder überraschend gut. Die Software schärft manchmal etwas stark nach, aber Farben kommen gut zur Geltung.
Bei schlechterem Licht oder Dunkelheit sieht es dann schon anders aus. Da merkt man doch, dass man eben in der Mittelklasse unterwegs ist. Die Kamera-App bietet zwar einen Nachtmodus, allerdings ist das Ergebnis nicht wirklich brauchbar. Dafür sind schlicht teurere Geräte notwendig.
Schön gemacht ist die Möglichkeit, per Doppeltipp der Leiser-Taste das Handy aufzuwecken, die Kamera zu starten und ein Bild zu machen – und das meist in unter einer Sekunde. Für Schnappschüsse definitiv brauchbar. Einige Testbilder finden sich hier:

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Die Selfie-Cam ist okay. Mehr gibt’s nicht dazu zu sagen. Ein Test-Foto erspare ich der Leserschaft lieber auch. Bei den aktuellen Temperaturen möchte niemand meine verschwitzte Visage in groß sehen.

Und gleich noch eine kleine Fotoserie nachts zum Vergleich. Von oben nach unten Huawei P20 Lite, Samsung S7 Edge und zum Vergleich eine DSLR, die Canon EOS400:

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Auf der DSLR war kein wirklich lichtstarkes Objektiv (Tamron 18-270mm), insofern bleibt die Kamera da etwas hinter ihren Möglichkeiten zurück – ist allerdings auch schon 2006 auf den Markt gekommen. Eine aktuelle DSLR samt passendem Objektiv spielt in einer ganz anderen Liga. Allerdings auch preislich. Und man hat sie halt auch nicht immer dabei.
Bei den beiden Smartphones liegt das S7 Edge hier deutlich vorne. 2016 war das allerdings auch Samsungs High-End-Modell.

Zum Schluss noch zwei nächtliche Panoramen, oben Huawei, unten Samsung:

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Das wäre dann wohl deutlich und ich sollte nicht weiter drauf rumreiten. So viel also zur Kamera.

Die ganzen Features müssen natürlich auch mit Strom versorgt werden. Der 3000 mAh Akku schafft es, dass das Handy knappe zwei Tage bei mir durchhält. Bei leichter Nutzung, ein wenig Telefonie, Mail, Chat, einigen Fotos. Im Vergleich hält es damit ähnlich lange wie das vergleichsweise genutzte Samsung Galaxy S7 Edge. Allerdings steckt im Samsung nur eine einzelne SIM Karte. Wer das Gerät deutlich stärker nutzt als ich, sollte immer noch locker durch den Tag kommen. Wechselbar ist der Akku leider nicht.

Fazit: das Huawei P20 Lite ist ein überraschend starkes Mittelklasse-Smartphone. Es reicht für den Normalnutzer locker aus und lässt wenig Wünsche offen. Nur wer LTE auf beiden SIM Karten braucht, ein wasserdichtes Gerät oder eine Kamera mit zusätzlichen Optionen wie Zoom oder guten Nachteigenschaften, sollte sich nach einem besseren Gerät umschauen.

Eine Möglichkeit wäre das Huawei P20 Pro. Das soll ja die aktuell beste Handy-Kamera bieten und viele weitere Features, die man am P20 Lite noch vermisst. Und wenn alles gut geht, hab ich das dann nächste Woche hier im Test.

Das Huawei P20 Lite gibt es zum Beispiel hier zu kaufen.

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4 Antworten zu Ersatz fürs Lumia? Das Huawei P20 Lite im Kurztest

  1. Thomas Bauer sagt:

    Was bedeutet das?:
    Deutsche Version mit gratis Speicherkarte: 329,-
    ohne Speicherkarte: 289,02
    Ist die Version ohne Speicherkarte keine deutsche Version? Wie sieht das dann hinsichtlich Updates und Garantie aus?

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