Eigentlich war ich ja nur auf der Suche nach einem leeren ATX Gehäuse, um ein paar PC Komponenten, die sich hier mit der Zeit angesammelt haben, wieder zu einem kompletten Gerät zusammenzubauen. Was da in der Ecke des Kellers stand, ist allerdings mehr als nur ein Gehäuse und auch mal wert, ein paar Sätze dazu zu schreiben.
Was macht man mit Hardware, die jahrelang ungenutzt im Keller stand? Nun ja, entstauben, anschalten und hoffen, dass sich irgendwas tut. In diesem Fall ist die Hardware ein MAXDATA Artist Minitower PC. Und der wäre schon vor Jahren verschrottet worden, wenn nicht seine Ausstattung auch damals schon eher untypisch für einen PC gewesen wäre.
Ein typischer, beigefarbener Minitower, DVD-Laufwerk, Wechselrahmen für eine zusätzliche Festplatte, Diskettenlaufwerk und ein “Designed for Windows NT / Windows 98” Aufkleber – ja, das waren noch Zeiten. Keine, die man sich zurück wünschen sollte.
Genau lässt sich das Produktionsdatum nicht mehr rausfinden, aber es wird wohl irgendwann 1999 gewesen sein, als dieser PC als leistungsfähige Workstation bei MAXDATA in Würselen vom Band lief. Firma und Fertigung sind schon lange nicht mehr existent – und alles was damals sonst noch an PCs produziert wurde, ist vermutlich schon lange auf dem Schrott.
Apropos Schrott: das verbaute 200 Watt Seasonic Netzteil gehört an sich zu einer Serie mit Serienfehler. Damals sind eigentlich alle Netzteile dieser Modellserie gestorben und mussten getauscht werden. Ein riesiger Schaden war das damals für MAXDATA und ich hab aufgehört zu zählen, wie viele von den Netzteilen ich selber getauscht habe. Interessanterweise hat dieses eine Exemplar überlebt.
Mainboard und CPU
Das verbaute Mainboard ist ein ASUS P2B-DS, welches Intels quasi legendären i440BX Chipsatz verbaut hat. Das “D” in der Typenbezeichnung weist dann schon gleich auf die erste Besonderheit hin: “Dual-CPU”. Zwei Slot 1 CPUs können hier verbaut werden und sind es zum Glück auch. Intels Pentium III “Coppermine” mit 600 MHz werkelt hier in doppelter Ausführung. Das “S” in der Boardbezeichnung ist dann für “SCSI” zuständig. Während man normalerweise bei Desktop-PCs damals PATA (“IDE”) Anschlüsse für Festplatten und CD-Laufwerke verwendete, findet sich hier onboard ein Adaptec AIC78U2 Controller für Ultra160 SCSI.
ASUS hat das Board auch in vielen anderen Konfigurationen gebaut, meist als einfaches P2B, d.h. für eine einzelne CPU und nur mit PATA Anschlüssen. Abgelöst wurden die Boards damals dann von der CUBX Serie, welche ebenfalls mit i440BX Chipsatz ausgestattet war, aber für die Pentium III CPUs im Sockel 370 geeignet war.
Das Board hier bietet vier Speicherslots für PC100 SDRAM und verträgt maximal 1 GB Ram insgesamt – eine irrsinnige Menge fürs Jahr 1999 – und diese sind auch tatsächlich verbaut. Sie wurden allerdings erst später nachgerüstet. Damals hätte sie wohl niemand bezahlen können oder wollen.
Tastatur und Maus wurden früher nur über PS/2 Schnittstellen angeschlossen und so “neumodisches Zeugs” wie USB brauchte kein Mensch. Trotzdem sind zwei USB Ports hinten vorhanden – natürlich USB 1.1 und damit sehr, sehr gemütlich.
Steckkarten
Die Grafikkarte war zu ihren besten Zeiten auch kein ganz preiswertes Modell, werkelt hier doch eine ELSA Gloria III im AGP Slot. Die Karte hat mit Nvidias Quadro2 Pro Chipsatz die quasi gleiche GPU wie eine Geforce 2 Ti. Nur BIOS und Treiber machen daraus dann eine für damalige CAD Anwendungen optimierte Grafiklösung. Auch ELSA ist seit 2002 nicht mehr existent. Somit hat auch diese Hardware ihren Hersteller überlebt.
Eine Creative Labs Soundblaster Live! 5.1 PCI sorgt für Sound. Der EMU10k1 Chip war damals beliebt und es gab recht breiten Anwendungssupport. Das Mainboard selber bietet keinerlei Audio-Funktionen, für damalige Zeiten noch vollkommen normal. In vielen PCs waren damals eher die billigeren Soundblaster Karten eingebaut, welche nur Anschlüsse für Stereo Sound hatten. Die Onboard-Soundchips nach AC’97 Standard hatten gerade erst das Licht der Welt erblickt, aber wer etwas auf sich hielt, nutzte eine Soundblaster.
Auch Netzwerk onboard fand sich bei den wenigsten Mainboards. In einem weiteren PCI Steckplatz steckt daher eine 10/100 Mbit Karte 3C905C-TX von 3Com. An sich liegen im Keller auch noch ein paar Gigabit-Karten, nur erfordern diese einen PCI 2.2 Slot und das ASUS Board bietet nur PCI 2.1.
Inwiefern Grafik- und Soundkarte schon von Anfang an im PC steckten, kann ich nicht beurteilen. Es kann sein, dass da später noch auf- oder umgerüstet wurde.
Storage
Natürlich war auch damals schon schneller Plattenspeicher das Nonplusultra und bei PATA war zu dem Zeitpunkt gerade mal UDMA33, d.h. 33 MB/s spezifiziert. SCSI bot da im Vergleich schon deutlich mehr. Bis zu 160 MB/s auf dem Bus sind bei Ultra160 SCSI möglich. Allerdings musste das natürlich eine Festplatte auch erst einmal liefern können. Und keine konnte es.
Festplatten mit 10.000 1/min waren zwar verfügbar, aber nur im Serverumfeld gebräuchlich. Sie waren nicht leise und mussten auch aktiv gekühlt werden, denn sie wurden nicht warm, sondern ohne Lüftung glühend heiß.
In diesem Fall entschied man sich also, nur eine Festplatte mit 7.200 1/min zu verbauen, eine Quantum Atlas V mit 36 GB. Quantum wurde von Maxtor übernommen, Maxtor dann von Seagate und bei Seagate finden sich tatsächlich noch die originalen Datenblätter von Quantum. Stolz berichtet man da von 29 MB/s tatsächlichem Durchsatz und 6,3 ms durchschnittlicher Seek-Zeit. Ordentliche Werte für 1999, allerdings heutzutage quasi lächerlich. 9,9 Watt Stromverbrauch im Idle-Zustand sind da noch vergleichsweise moderat. 7200er Festplatten liegen auch heute noch bei 6 bis 8 Watt.
Ein Toshiba DVD-ROM Laufwerk mit SCSI Anschluss komplettiert das Ensemble. Es liest keine wiederbeschreibbaren CDs und DVDs, tut aber ansonsten immer noch seinen Dienst leise und unauffällig.
Lebt es?
Knopf drücken, es röhrt gewaltig und ein Bild erscheint…mit einer Fehlermeldung…
Ja, nach so langer Zeit ist die originale CMOS Batterie dann auch mal leer. Also schnell ins BIOS Setup, Datum, Uhrzeit und die wichtigsten Einstellungen wieder gesetzt und dann steigt die Spannung, was ich da zuletzt eigentlich für ein Betriebssystem drauf hatte.
Es bootet ein altes Ubuntu Linux… zumindest versucht es das.
Örks. Okay, das sieht jetzt nicht so umwerfend aus. Es scheint ein Ubuntu 12.04 installiert zu sein. Ich hatte das Gerät also vor knapp fünf Jahren wohl schon mal aus dem Keller gekramt. Egal wie, es bootet nicht. Parity Fehler auf dem SCSI Bus? Ob die Festplatte hin ist? Das Kabel? Der Controller? Das Board? Oder nur die Ubuntu Installation?
Also mal schnell auf die Suche, was überhaupt auf solcher Hardware noch laufen könnte. Ein antiX Linux ist für alte Hardware optimiert, also CD gebrannt und los geht’s. Leider bootet antiX nicht vom SCSI-DVD-Laufwerk. Vermutlich fehlt dem Kernel der Support für den Adaptec Controller. Und bei Linux mal eben einen Treiber nachladen? Vergessen wir’s!
Also muss eine Alternative her. Windows! Windows 7 bootet tatsächlich von DVD, möchte dann von Diskette einen Treiber für den Adaptec Controller haben und resettet danach immer fröhlich den SCSI Bus. Also doch Hardware defekt? Denn schon Ubuntu meckerte ja deswegen. Oder doch nur die SCSI Terminierung falsch?
Vielleicht muss es einfach noch ein älteres System sein…
Man sehe und staune: Windows Vista startet, nimmt den Treiber von Diskette und installiert dann sauber durch!
Es lebt!
[youtube https://www.youtube.com/watch?v=12Rcgrlg-YY]
Ja, das ist noch richtig Sound! Je ein Lüfter mit 6500 1/min auf beiden CPUs, Lüfter im Netzteil, auf der Grafikkarte und dazu das helle Singen der Platte sowie das “Geschraddel” der Platte bei Zugriffen.
Treiber
Gar nicht so einfach ist die Suche nach Treibern. Nachdem PC Hardware nach wenigen Jahren veraltet und für die Hersteller damit uninteressant geworden ist, manche Hersteller nicht mehr existieren und viele Leute durch Anbieten von Malware die Treibersuche erschweren, geht da einiges an Zeit drauf.
ASUS bietet tatsächlich noch das aktuellste BIOS von 2002, sowie einen SCSI Treiber von 1999 an. Letzterer ist allerdings für Windows NT 4.0 und mag mit Vista so gar nicht.
Adaptec selber ist verkauft worden, man findet den Treiber für den AIC78XX für Vista aber tatsächlich noch auf deren Seiten. Auch wenn sie mittlerweile Microsemi heißen. Die Umbenennung ging irgendwie an mir vorbei.
3Com ist auch nicht mehr und deren Webseiten ebenfalls nicht. Die alten Seiten verweisen auf HPe, welche 3Com vor Jahren geschluckt hatten. Treiber finden sich da allerdings nicht mehr. Nach einiger Sucherei fand sich ein Treiber v4.41 für Windows XP, welcher unter Vista funktioniert.
Nvidia gibt es noch und auch stellen sie weiter Grafikchips her, mit denen von vor knapp 20 Jahren wollen sie allerdings nichts mehr zu tun haben. Selbst wenn man noch Produktbeschreibungen auf den Nvidia Webseiten findet, sind die Treiberlinks verwaist. Nichts, was Nvidia zum Download anbietet, funktioniert mit der Quadro2 Pro. Auch hier hilft wieder nur die akribische Suche im Netz und ich bin bei einem Treiber “Forceware 71.90” für Windows 2000/XP fündig geworden, der sich tatsächlich manuell installieren lässt.
Creative Labs gibts auch noch und sie haben sogar Treiber-Downloadseiten für die alten Karten noch online. Leider gibts dort immer nur Treiber-Updates, die eine Installation des damaligen Treiberpaketes erfordern, welches sie nicht anbieten. Man findet es dann im Netz und bei der Installation friert das System komplett ein. Okay, also kein Sound.
Wie läufts denn nun?
Ein wenig zäh, aber es läuft tatsächlich. 1 GB Ram sind unterstes Minimum für Vista. Ich denke, da sollte man noch ein paar nicht unbedingt benötigte Autostarts wie die Sidebar deaktivieren. Die CPUs sind auch gut ausgelastet. Zum Glück sind ja zwei davon da, das macht die Sache erträglich. Und die Festplatte…nun ja, viel Lärm um wenig Geschwindigkeit.
An Aero Glass muss man auch keinen Gedanken verschwenden. DirectX 7 ist bei der Quadro2 Pro drin, mehr nicht.
Aber generell funktioniert es tatsächlich. Momentan ohne Sound, aber stabil. Hardware von 1999 und ein Betriebssystem von 2007, welches bis April diesen Jahres sogar noch offiziell Support bekommt. Das muss man erst einmal nachmachen.
Einige Benchmark-Werte werde ich bei Gelegenheit noch nachreichen. Jetzt installiert grad mal der erste Schwung von 109 Windows-Updates…
Ach nein, was du noch so im Keller hast! Vielleicht könnte ich für dich sogar noch den originalen Systemschein finden; wir habe ja so einiges archiviert, wie du weißt… War damals echt Wahnsinn, wie viele Netzteile wir wechseln mussten! Und wenn treibertechnisch noch Bedarf aufkommen sollte: auch da ist noch einiges vorhanden. Ab und an finde ich auch noch mal eine Maxstart-CD u.ä. in irgendeiner Schublade. Es macht doch immer mal wieder Spaß, in Erinnerungen zu schwelgen. A propos: wir müssen mal Schlachte 2.0 in Angriff nehmen. Aber dazu an anderer Stelle mehr…
VG
Björn
Ja, hat sogar das Hochwasser im Keller vor einigen Jahren überstanden.
Das wäre natürlich ein Gag, wenn der sich in den Daten noch finden würde. Die Seriennummer ist 41061390001, falls sie auf dem Foto nicht lesbar sein sollte. Dann wüsste ich zumindest, von wann das gute Stück wirklich ist.
Und Schlachte 2.0 klingt auch gut. 🙂
😉 Ich hab vor kurzem noch 2 so alte p3/500 für einen Kindergarten wieder in Gang gebracht , für alte Lernprogramme. Da war nach paar Jahren Standzeit auch die Platte platt und Bios Batterie sowieso 😀
Ach, wie schön nostalgisch….
Oh jaa, das waren noch Zeiten! Hab auch noch so ne alte Kiste rum stehen… Alleine der „Sound“ der da raus kommt, wenn sich Festplatten und RAM ein Orchester liefern =)
Grüße
Julian
Bei dir hat RAM Geräusche gemacht? 😉
Kann auch sein, dass es nur die Festplatte war 😉
Schöner Beitrag, Gefällt mir!
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Vielleicht kommst Du mit den kX-Treibern weiter…
Leider ist das Projekt von Daniel K anscheinend platt, zumindest was Treiber für die Live!-Serie betrifft.
Die bekommst Du auch anderweitig noch für Vista als Download wie Netzwelt oder so, aber das sind halt Klickstrecken zwecks Werbung:-(